Mittwoch, 26. Mai 2010

T minus 68

War heute beim orthopäden. Der lächelte nur müde und meinte ich solle erst mal in die gänge kommen, das seien mit sicherheit nur meine muskeln. Na gut... glauben wir es ihm mal... ist auf jeden fall billiger wenn er recht hat. Er meinte dann noch ich solle magnesium kapseln nehmen da es bei grossen muskelanstrengungen bei magnesium mangel zu krämpfen kommen kann. Kommt mir bekannt vor... also mal kapseln kaufen.

Dann überlegte ich mir, ob ich jetzt tatsächlich geld in ein eine halbe nummer grösseres paar schuhe investieren muss... habs mal noch verschoben, ich bin halt zu sehr ein pfennigfuchser. Dafür habe ich dicke in einen regenponcho investiert. Als ich zum laden rauskam fielen die ersten regentropfen. Also beschloss ich das ding gleich einem tauglichkeitstest zu unterziehen, stöcke holen, rucksack halb geladen und losgestichelt. Ich dachte mir, teste mal ob die letzten drei tage schon was gebracht haben also ab nach Landquart, allerdings auf direktem weg. Nach etwa zwanzig minuten warf ich mir den poncho über... gerade noch rechtzeitig. Dann marschierte ich etwa eine stunde in strömendem regen und fand es wunderschön. Poncho brauchbar, waden klatschnass und ich selber war etwas feuchtelig... war aber vom schwitzen. Poncho hat leistungstest bestanden - und meine schuhe auch! Die hielten den regen tatsächlich ab! Bin erstaunt und erfreut. Jetzt muss ich nur noch herr, resp. frau dieser hartnäckigen blase werden, die sich immer wieder hinter meiner grossen rechten zehe bildet. Blödes ding, aber das kriegen wir auch noch klein.

Ich kann mit stolz vermelden, dass ich es heute in 2 1/2 Std. nach Landquart geschafft habe. Die hüften haben den latz gehalten aber die fussohlen sind immer noch zart wie ein kinderfüddli und haben dementsprechend reklamiert. Kriegen wir auch noch in den griff.

Wenn ich mir überlege, was ich heute alles abgecheckt habe, vom superleicht schlafsack über die richtigen laufschuhe zum poncho und der zusatz'nahrung' - und dann überlege, dass die alten pilger schon froh sein konnten wenn sie ein paar anständige schuhe hatten - dann bekommt der ganze 'kraftakt' schon eine ganz andere dimension. Wäre doch gelacht wenn ich das mit heutiger technologie nicht schaffen würde. Ganz abgesehen davon, dass ich kaum mörderisches gesindel fürchten muss, höchstens einen maulheldigen macho. Und mich selbst. Und darin liegt ja eigentlich der reiz der sache - es geht nicht darum jemand anderem etwas zu beweisen - es geht schlicht und einfach darum, die eigenen grenzen auszuloten und ans limit zu stossen.

Der mensch scheint für die behaglichkeit nicht gemacht zu sein, zumindest ich nicht. Wenn es mir zu gut geht, dann verliere ich den sinn. Wohlgemerkt - ich habe sogar den luxus zu entscheiden, dass ich ein risiko eingehen will - etwas, was viele andere menschen nicht haben. Viele mögen das vielleicht als leichtsinnig betrachten - und ja, genau das ist es. Das leben muss manchmal leichtsinnig sein, denn nur dann haben wir noch die freiheit und die offenheit für das leben. Leichtsinnig - leichten sinnes - nicht schwermütig oder schwerfällig, erdgebunden dahin trampelnd und nur den nächsten schritt sehend. Ich muss mir diese leichtsinnigkeit wieder zurückerobern und ich denke ein weg wie der jakobsweg ist dazu bestens geeignet. Aber genug für heute.

Sonntag, 23. Mai 2010

T minus 70

tja... stelle fest, dass vier jahre sesselfurzerdasein einen nicht gerade zur sportsfrau machen. Bin heute von mir zu hause nach Felsberg gelaufen und zurück... elf kilometer. Die hüften haben sich benommen aber ich bin schon wieder auf dem schlauch. Weichei!

Samstag, 22. Mai 2010

T minus 71

Es ist schon fast ein Monat her, dass ich mich entschloss meinen job aufzugeben und mal was ganz verrücktes zu machen. Als gute Schweizerin macht man sich da natürlich an die (wenn auch etwas verspäteten) recherchen und findet raus, was den jetzt so sache ist.

Schnell steht fest – ein neuer rucksack muss her. Ich bin zwar lange reisen gewohnt und habe einen ausgezeichneten tramper rucksack, aber der ist viel zu gross und zu schwer. Man soll ja nach allgemeinen erfahrungen nicht mehr als gesamthaft etwa 9-10 kilo mitschleppen.

Also gut... neuer rucksack gekauft. Schuhe sind schon vorhanden, wandersocken müssen auch her, schlafsack habe ich schon.

Heute war, nach drei wochen lausigem wetter, der erste schöne tag.. und auch noch ein samstag. Mein vater und ich beschlossen daher, heute mal nach empfehlung eine probewanderung zu machen. Schlappe 15km von mir zu hause bis nach Landquart... (normale etappen sollen zwischen 25-30km sein) aber man will es ja nicht gleich übertreiben. (Mein vater kommt im übrigen nicht mit, ich habe die absicht alleine loszugehen, aber er ist sozusagen mein coach.)

Also... mal rucksack probepacken mit etwa 8kilo gepäck... so das wichtigste was mit muss - und schon der erste schrecken. Mein schlafsack ist VIEL zu gross! Im Rucksack nimmt er glatt 4/5 des platzes in anspruch! Zu schwer ist er auch... aber für heute muss es gehen, also rein damit. Nachdem ich dann mal das wichtigste eingepackt habe, wiegt der rucksack schon leicht seine 8 kilo! Abspecken ist angesagt... aber das werde ich später machen müssen. Jetzt mal das gute ding hochgehievt und losmarschiert.

Die strecke stellt keine ansprüche an mich, es ist praktisch ebenerdig grad aus. An anfang macht es auch spass und nachdem ich mich an die stöcke gewöhnt habe, finde ich die dinger ganz brauchbar. Wir verfransen uns kurz mal in den Rheinauen bei Untervaz und unsere zeit geht damit den bach runter aber was solls, wir machen hier ja kein rennen, es geht darum, zu sehen wie anspruchsvoll so eine etappe ist.

Und ich merke spätestens in Mastrils – das wird um einiges härter als ich angenommen habe. Meine hüften schmerzen so stark, dass ich kurz mal glaube nicht mehr weiter zu können. Das gibt mir zu denken. Wenn es nur die muskeln sind, dann wird sich das auslaufen – aber ich beschliesse zur sicherheit am mittwoch zum orhopäden zu gehen. Vielleicht brauche ich ja einlagen... und wenn das hilft werde ich mir die dinger auf jeden fall zulegen. Ich will mir bei aller freude am ungewissen garantiert nicht die hüften demolieren! So weit geht denn meine lust auf abenteuer nicht.

In Landquart holt uns meine Schwester ab, sie ist auf dem weg von Ragaz nach Chur und gerade unterwegs wir können uns also den zug zurück sparen.

Nach einem ausgiebigen mittagschlaf habe ich das gefühl mit den hüften geht's schon etwas besser, aber ich stelle fest, dass sich unter meinem rechten fussballen eine kleine blase gebildet hat. SUPER! Ich bekomme langsam den eindruck, dass ich ein totales weichei bin und einen kurzen moment kommen zweifel in mir auf.

Als ich dann von meinen eltern die zwanzig minuten zu mir nach hause laufe, lässt der schmerz in den hüften schon etwas nach... sind wohl doch nur die muskeln, aber der termin beim orthopäden bleibt! Zu hause versenke ich mich dann in eines der büchlein mit den wegbeschreibungen und meine leichten zweifel sind wie weggeblasen. Ich will mir diese wunderbaren landschaften zu fuss erobern. Ganz besonders freue ich mich darauf, auch die Schweiz zu durchqueren. Wir kennen so wenig von dem was wir eigentlich kennen sollten und auch wenn ich schon an vielen orten in der schweiz war... man steigt in A ein und in B aus... und was dazwischen liegt hat man bestenfalls im vorbeiflitzen kurz wahrgenommen. Jetzt will ich all dies in musse sehen! Hüften hin oder her!

Prolog

Ich habe mich entschlossen, alle Brücken hinter mir abzubrechen und einfach loszuziehen.

Halt...halt! Wie war das? Brücken abbrechen? Doch wohl nicht wirklich!

Also gut... ich wollte ja auch nur einen guten einstieg finden! Aber mal mindestens die hälfte stimmt. Nach den osterferien wachte ich auf ... oder eigentlich wollte ich gar nicht aufwachen weil ich wusste, dass ich wieder zur arbeit gehen musste. Das war wohl der deutlichste von vielen fingerzeigen, und machte mir klar, dass ich etwas ändern musste. Dann kamen das eine zum anderen und kaum drei tage später stand ich am morgen auf und wusste … ich würde von mir zu hause nach Santiago de Compostela laufen... oder eigentlich ans Cap Finisterre.

Wohlgemerkt – da hatte ich mich noch in keinster weise informiert, was das eigentlich beinhalten würde. Ich bin erst jetzt dabei mir so wirklich ein bild zu machen, was da auf mich zukommt. Aber die entscheidung stand – und ich handelte. Ich verschickte die kündigung auf ende juli wenig später – und die erleichterung die ich dabei empfand, machte mir deutlich, dass meine entscheidung richtig war.

Dem einen oder anderen mag es jetzt vorkommen, als ob ich einfach so aus dem nichts und völlig unüberlegt handle. Dem ist aber nicht so. Im gegenteil; ich bin überhaupt nicht spontan und entscheidungen sind bei mir oft lange am reifen. Meine aussenwelt merkt davon praktisch nichts, und ist dann entsprechend überrascht, wenn ich schlussendlich zum punkt komme wo ich eine entscheidung treffen. Und WENN ich mich entschieden habe, braucht niemand mehr mit mir argumentieren zu wollen.

Tja... einsamer wolf gehabe – ich weiss. Zum glück kann ich mir das erlauben. Und jetzt will ich, wie gesagt ans Cap Finisterre wandern.

Warum?

Nennt es midlife crisis – das trifft den punkt wohl ziemlich genau. Manchmal kommt der moment wo man feststellt, dass man in einer sackgasse ist. Oder vielleicht eher, dass man wie wasser ist, dessen lauf verbaut wurde. Dann kann man entweder gegen das hindernis anwüten, oder man lässt sich aufstauen bis man einen anderen weg findet.

Ich bin von natur aus das zweite... heftig schäumen gegen das hindernis ist nicht mein ding. Ich staue mich auf, und wenn sich dann ein gräblein auftut, braucht es nur wenig und ich sprudle auf einem neuen weg in eine andere richtung. Und jetzt ist zeit wieder mal woanders hin zu sprudeln. Nur – leider weiss ich noch nicht so genau wohin. Aber muss ich das wirklich? Die ungewissheit welche sich vor mir auftut, erfüllt mich mit spannung, mit hoffnung, mit neuen willen. Es ist noch lange hin bis zum 1. August, dem tag an dem ich mich auf den weg machen will. Es bleibt noch einiges zu tun. Als erstes wohl mal literatur beschaffen.