Samstag, 31. Juli 2010

T minus 1

Vorabend. Die wohnung ist geputzt, nur noch der müll muss morgen raus - der vogel ist an seinem ferienort - und ich krieg den durchhänger.

Es wird ja gesagt dass der jakobsweg jeden einmal zum weinen bringt. Bei mir ist es jetzt schon so weit. Eine feder, die die letzten monate dauernd etwas zu sehr unter spannung stand, kann nicht einfach so plötzlich losgelassen werden, ohne dass sie sich nicht etwas zu weit abwickelt. So geht es mir im moment. Beim putzen habe ich mich dabei ertappt, dass ich mir gedanken über meine arbeit machte und musste mir dann sagen: das geht dich nichts mehr an. So lange freute ich mich auf das arbeitsende... aber jetzt fehlt plötzlich was, das lange da war.

Die wohnung ist auch furchtbar leer ohne meinen papagei. Ich bin es so gewohnt, dass jedes geräusch irgendwie mit ihm zusammenhängt - und jetzt ist da einfach nichts. Ich bin froh wenn ab morgen das fremde mich das bekannte vergessen lässt.

Mittwoch, 28. Juli 2010

T minus 4

Noch zwei arbeitstage. Der sonntag steht for meinem inneren auge wie eine dicke schwarze türe. Bis dahin wusste ich was der tag bringt - wenn ich durch diese türe gehe, liegt alles offen vor mir, kein tag ist mehr definiert durch alltägliche rituale.

Gestern habe ich mich in mein bett gekuschelt und gedacht... geniesse es noch solange du kannst. Bald kannst du dich nicht mehr auf den komfort deiner matratze verlassen.

Ich kann zwar auf einem zaunpfahl schlafen, aber auch mein rücken fängt langsam an zu maulen, wenn der untergrund nicht genehm ist. Besonders weiche unterlagen findet er gar nicht gut. Aber wir gehen hier ja nicht auf eine luxusreise. Ich suche hier nicht die wellness des körpers sondern des geistes. Und langsam werde ich wirklich zappelig.

Noch viermal schlafen... wie wir als kinder immer rechneten.

Sonntag, 25. Juli 2010

gedankensplitter

Schon erstaunlich wie oft ich höre, dass jemand bereits daran gedacht hat, ebenfalls auf den jakobsweg zu gehen.

Noch erstaunlicher, wie wenige es dann tatsächlich tun. So oft höre ich leute sagen - da würde ich auch mal gerne hin - das würde ich auch mal gerne tun. Warum tun sie es nicht?

Wenn man sie fragt, hat jeder tausend gute gründe, warum sie ihre wünsche nicht umsetzen. Der job, die familie, der zeitmangel. Hu... zeitmangel? Zeitmangel macht man sich selber - und man macht sich auch die zeit für das, was einem wirklich wichtig ist. Alles andere sind ausreden.

Ich bin warscheinlich eine ausgekochte egoistin. Ich habe mir immer das recht genommen, das zu tun, was mir wirklich wichtig war. Ich habe immer die zeit und das geld dafür gefunden. Aber genau darin liegt bei vielen das problem. Es geht ihnen wie dem kleinen jungen in 'die unendliche geschichte' von Michael Ende. 'Tu was du willst', steht auf dem magischen talisman, den der junge erhält. Aber was aussieht wie ein freipass zu tun und zu lassen was einem gerade einfällt, ist die aufforderung, in sich zu gehen und genau zu überlegen, was man wirklich will. Vielen geht es heute ähnlich - wir alle scheinen einen freipass zu haben, das zu tun was wir wollen - und dabei vergessen wir herauszufinden was wir wirklich brauchen. Denn was wir 'wollen' ist oft nur ein fremdgesteuertes bedürfnis, erweckt durch die werbung, oder den wunsch auch dazuzugehören. Wen wundert es da, dass es vielen geht wie dem jungen bei Michael Ende - am schluss haben sie sich selber verloren.

Zur wahren zufriedenheit gehört vor allem, seine wahren wünsche zu kennen. Für mich gibt es kein 'wunschlos glücklich'. Zumindest nicht als einen permanenten zustand. Der mensch muss sich entwickeln - und dazu gehört auch, das sie etwas will. Wenn sie etwas will, dann kann sie ihre energien darauf konzentrieren, es zu erreichen. Ein ziel zu haben - das allein kann schon glücklich machen. Die erfüllung des wunsches - das erreichen des ziels - kann sich jedoch in asche verwandeln, den viele von uns unterliegen dem chinesischen fluch, der da geht: Ich wünsche dir, dass du alles erhältst was du willst, und nichts von dem was du wirklich brauchst.

Es ist schwierig, zu wissen, was man wirklich braucht. Zu oft lassen wir uns von sogenannten sachzwängen in eine richtung drängen, wir rennen um den anschluss nicht zu verpassen - dabei würde der nächste zug ebenfalls am gleichen ort ankommen. Und dabei wissen wir oft noch nicht mal, wohin der zug den fährt. Wäre es nicht manchmal gut, erst mal auf das bänkchen zu sitzen, den lautsprechern zuzuhören wohin die züge fahren und dann, wenn man sich entschieden hat, in aller ruhe den zug auszuwählen, der einen dorthin bringt wo man wirklich hin möchte.

Vielleicht ist das etwas, worüber sich nachzudenken lohnt, wenn du das nächste mal zug fährst.

Samstag, 24. Juli 2010

T minus 7

Noch eine woche und dann geht's los. Draussen ist es schon seit tagen regnerisch und das dämpft meine aufbruchsstimmung gewaltig. Es hämmert mir so richtig ein, dass tagelanger regen auch dazugehören kann. Aber daran will ich im moment gar nicht denken.

Jetzt, wo nur noch eine woche zu überstehen ist, beginnt die realität so langsam einzusinken. Nur noch ein paar tage in meinem eigenen, gemütlichen bett, nur noch ein paar tage meine gewohnten sachen, nur noch ein paar tage komfort. So lange es draussen schön war, hat der optimismus die überhand gehabt - aber das kühle, nasse wetter zeigt mir so richtig, womit ich es auch zu tun haben kann.

Trotzdem - regenwetter hin oder her - es juckt mich loszugehen. Heute werde ich mit vollgepacktem rucksack mal einen probelauf machen. Leider ist meine befürchtung wahr geworden und das ding ist trotz beschränkung auf das absolute minimum über zehn kilo. Die technik schlägt hier schwer zu buche. Nicht nur die kamera und das notebook, sondern auch die verschiedenen kabel zum aufladen. Tja - papier wäre leichter. Entweder ich schreibe von hand oder ich buckle.

Ich buckle.

Donnerstag, 15. Juli 2010

gedankensplitter

Bin ich ein starrkopf, dass ich mir stress mache, nur weil ich meine ferientage nicht erhielt? Von der arbeit ohne pause direkt auf den weg ist doch unnötige hast. Vielleicht – aber ich will hier keinen kompormiss eingehen.

Es ist eine schwierige gratwanderung zwischen unflexibler gradlinigkeit und kompromissbereiter nachgiebigkeit. Und am trügerischsten sind die kompromisse die wir mit uns selber schliessen.

'Kompromiss' liegt gefährlich nahe an 'kompromitiert'.

Wir Schweizer sind stolz auf unsere kompromissbereitschaft - und für das soziale zusammenleben ist der wille zum kompromis eine notwendigkeit. Aber wie gefährlich können solche kompromisse sein - wenn wir dadurch eine grenze überschreiten, welche nicht überschritten werden darf. Wie oft gehen wir kompormisse ein, um des lieben friedens willen, oder weil uns das thema den aufwand nicht wert scheint, oder weil wir vielleicht über die konsequenzen nicht genug nachdenken. Und plötzlich stellen wir fest, dass der nächste geforderte kompromiss uns über die besagte grenze hinausführen würde. Wieviel schwieriger ist es jetzt plötzlich den kompromiss zu verweigern. Wieviel rückgrat müssen wir plötzlich an den tag legen um uns
gegen alle erwartungen zu stellen und nein zu sagen.

Und doch ist unflexible gradlinigkeit auch nicht die lösung. Das sture beharren verlangt von jedem anderen das entgegenkommen, das man selber nicht gewillt ist zu erbringen. Und auch wenn uns zu beginn diese verhalten eher dorthin bringt wo wir hin wollen, ist dies letztendlich meist eine verliererstrategie. Wer nur nehmen will, wird irgendwann finden, dass alle anderen sich gegen seinen zugriff verbarrikadieren und er trifft auf trotzige sturheit wo man ihm früher entgegenkam. Nur im geben und nehmen kann eine fruchtbare beziehung entstehen, egal ob dies auf politischer oder wirtschaftlicher oder emotionaler ebene geschieht. Die gleichung des beharrens und des eingehens muss sich allerdings bei allen partnern die balance halten.

Und damit diese gleichung aufgehen kann, muss am anfang dieses austausches immer eine freie gabe liegen. Immerhin heisst es ja 'gebet, so wird euch gegeben werden' und nicht 'nehmt, damit ihr dann geben werdet'. In der balance liegt auch das wesen der freiheit – meine freiheit hört dort auf, wo sie diejenige eines anderen einschränkt. Freiheit ergibt sich nur im anerkennen der freiheiten des andern und darin eigentlich im kompromiss. Der gute kompromiss ist derjenige, welcher beiden seiten die grösstmögliche freiheit zugesteht und die kleinstmögliche einschränkung. Man darf, ja muss sogar für diese ausgewogenheit einstehen, damit das gleichgewicht erhalten bleibt. Wer bedingungslose freiheit will, ist ein sehr einsamer mensch.

Ich freue mich trotzdem auf die freiheit des weges.

T minus 15

Heute ist mein pilgerpass gekommen. Ein hübsches kleines büchlein das nur leider grad überhaupt nicht genug platz hat mit nur 40 stempelplätzen. Da wird noch die eine oder andere erweiterung dazukommen bis ich in Compostela bin.

Langsam kommt der termin näher und ich muss mich etwas zusammenraffen um wirklich alles rechtzeitig auf die reihe zu kriegen. Es ist ein elend mit dem zeit haben... man schiebt die dinge immer raus bis man plötzlich keine zeit mehr hat. So ging es mir mit dem pilgerpass. Ich hatte schon gelesen, dass man ihn etwa einen monat vorher bestellen sollte - aber ich hatte ja zeit. Und letzten samstag merke ich plötzlich dass ich schon längst keinen monat zeit mehr habe.

Es wäre doch schon super blöd von mir gewesen, wenn ich nur wegen des fehlenden pilgerpasses zu spät auf die piste gekommen wäre. Aber jetzt hat doch noch alles gekappt.

Montag, 12. Juli 2010

T minus 17

Oh die eitelkeiten des schreibers. Ich habe gerade in einer zeitschrift einen bericht über zwei pilger gelesen, welche von der schweiz aus nach compostela gepilgert sind. Auch sie haben einen blog geführt und dazu den laptop mitgenommen.
Da frage ich mich doch, wozu ich nochmals das worldwide web mit meinen persönlichen erfahrungen belasten soll. Mein erfahrungen werden wohl auch nicht so sehr anders sein, als die der hunderttausende anderer, welche dieses jahr nach westen
pilgern.

Und doch - ich möchte ein tagebuch führen, das erlebte festhalten und das erfahrene beschreiben. Schön und gut - muss aber ja nicht unbedingt noch ins netz gestellt werden oder?

Jaaaaa- aber - meine familie - meine freunde - die sollen doch auch wissen wie es mir geht. Der blog erlaubt es anderen, kommentare zu geben, und damit besteht die möglichkeit eines, wenn auch zeitverzögerten dialoges. Vielleicht will ich diese
verbindung im laufe der reise gar nicht mehr beibehalten, im moment fühle ich, dass ich diesen kontakt haben möchte.

Ich gehöre zu den menschen die erlebnisse erst so richtig be- und verarbeiten können, wenn sie die chance haben, darüber zu sprechen oder zu schreiben. Schreiben noch mehr als sprechen, zwingt mich dazu das erlebte nicht nur begreifbar zu machen, sondern auch zu kristallisieren. Wie ein gedicht, oder ein drehbuch wo der inhalt im besten fall auf das minimum beschränkt wird und daher jedes wort umso mehr gewicht hat. Ich werde versuchen, meine erfahrungen wie ein gedicht oder drehbuch zu bearbeiten, mit disziplin in wort und gedanke.

Mal sehen, ob ich diesem vorsatz auch treu bleiben kann.

Freitag, 2. Juli 2010

T minus 27

Schlussspurt.

Jetzt ist es offiziel : ich bin ein plattfuss. An donnerstag war ich bei meiner ärztin, die mir einlagen gegen meine schmerzenden füsse verschrieb. Ich hoffe dass diese der müdigkeit und dem dehnschmerz etwas einhalt gebieten können. Ich mache mir keine illusionen, dass danach die füsse gar nicht mehr weh tun. Aber wenn es auch nur die hälfte weniger ist, macht das schon viel aus. Ich bin schliesslich kein masochist... und ich möchte mir auch kein bleibendes problem anlaufen. Daher - einlagen her.

Meine ärztin hat eine erfrischend unkomplizierte art. Gefragt ob ich allenfalls zusätzliche vitamine nehmen sollte oder sonst etwas fand sie: ach quatsch... ich würde genug vitamin D kriegen einfach weil ich draussen sei, eine oder zwei früchte am tag würden reichen und abends viel pasta um wieder energie zu tanken. Auf meinen fünf kilo pirelli angesprochen lächelte sie nur... ich wolle doch ankommen oder? Was ich so verstand - die kleine fettreserve kann hier nur von vorteil sein.

Auch sonst sagte sie mir offen ins gesicht - wir könnten jetzt schon eine blutprobe nehmen, meine eisenwerte beim letzten mal waren nicht optimal aber alles andere top... aber das sei nur geldverschwendung denn sogar wenn etwas nicht in ordnung sei, vor meinem marsch würde sie mit mir ohnehin keine therapie anfangen. Damit hat sie sich mein vertrauen mehr gesichert als mit irgendwelchen medizinischen mätzchen. Hier ist eine ärztin, die den patienten darin bestärkt, gesund zu sein und nicht krank zu werden.

So... nächsten dienstag hole ich mir die einlagen - und dann gibts mal einen probemarsch.