Samstag, 9. Oktober 2010

Tag siebzig

etappe: St.Jean – Roncesvalles
Unterkunft: Pilgerhostel Abtei Roncesvalles

Die königsetappe

Jeder sagt, die etappe von St.Jean nach Roncevalle sei die königsetappe. Es gibt verschiedene gründe. Zum einen gibt es keine andere mit dem gleichen grossen höhenunterschied – 1150 meter. Dazu kommt man hier endlich in die Pyrenäen. Für mich hat diese etappe jedoch aus einem anderen grund den namen verdient. Nämlich vom rein emotionalen erlebnis her.

Ich schaffe es heute tatsächlich um sieben das haus zu verlassen. Draussen ist es noch stockfinster, aber da es einfach nur geradeaus der strasse nach geht ist das kein problem. Die stadt ist noch dunkel und ruhig aber dann – clack-clack-clack. Von aller orten kann man das clicken der pilgerstöcke hören und aus jeder gasse marschieren sie an – bestockt, berucksackt und mit einer gewissen entschlossenheit im blick. Ob neuanfänger oder schon zweidrittel zum ziel – für jeden ist die etappe etwas spezielle,s geht es damit doch endlich nach Spanien. Schnell zieht sich das feld in die länge als die fitteren sich absetzen. Da ich früh dran bin, bin ich vorne, gehöre aber nicht zu den wirklich schnellen.

Nach einer viertel stunde ist die strasse bereits erkennbar. Im osten erhellt sich der horizont. Wolken hängen relativ tief besonders im westen aber im osten liegen sie locker. Schon bald lässt sich ein erster rosa schein auf den blaugrauen wolken erahnen. Da die wolken in mehreren schichten liegen färben sich manche schon orange wärend andere noch drohend blau darüber hängen. Es wird etwas steiler und ich schnaufe aufwärts, ohne aber den horizont im osten aus den augen zu lassen. Bald fährt das himmlische feuerwerk zu voller grandeur auf. Je weiter wir nach oben kommen, desto mehr weitet sich der blick über das land. Staffel um staffel immer spitzer und höher werdender hügel erheben sich, überdacht von diesem feurigen – manchmal fast lieblich, manchmal fast blutig drohenden himmel.

Fast eine stunde lang dauert das augenfest bis sich die sonne kurz zeigt, um sich dann für den rest des tages mehrheitlich hinter den wolken bedeckt zu halten. Das passt mir, damit wird es nicht so heiss – denn der morgen ist warm und schwül.

Ich drehe mich an einem ort um und wen sehe ich direkt hinter mir? Guy. Ich hatte mir fast gedacht, dass wir früher oder später übereinander stolpern würden. Wir quatschen ein bisschen bevor er davon zieht, da er immer noch schneller als ich läuft.

Als wir weiter nach oben kommen wird der wind, der anfangs eine willkommene kühlung darstellte, immer kräftiger. Schliesslich bläst er so heftig, dass er einen aus der spur werfen kann. Von vorne, von der seite von hinten zerrt er an mir. Damit wird die steigung, die eigentlich keine grosse herausforderung ist, doch noch anstrengend – ausser er kommt von hinten, da stösst er mich so heftig den berg hoch dass ich schon fast rennen kann. Leider kommt das nur allzu selten vor.

Nach vier stunden erreiche ich den ersten col – und kurz darauf die Rolandsquelle. Diese liegt am alten weg unterhalb der hügelkante und ist etwas vom wind abgeschirmt. Zudem kann man dort bestens sitzen – und Guy ist bereits da am mittagessen. Wir spachteln zusammen und ich stelle fest, dass es inzwischen fast etwas kalt ist – besonders wenn man sich nicht mehr bewegt. Die mittagspause wird daher ein bisschen kürzer als vorgesehen – aber auch das reicht schon um meine füsse, die es heute sowieso schon leicht haben wieder in gang zu bringen.

Dem alten weg folgend geht es jetzt in einen buchenwald, und damit verliert der wind seine kraft. Er rauscht zwar mächtig im blätterdach aber auf dem weg hat er gerade noch genug zupf um mir die haare zu zerzausen. Es ist eine erleichterung und ich kann jetzt wieder kräftig ausziehen. Ich überhole dabei auch Norm, den Australier (nicht Kanadier wie ich mal schrieb... wie peinlich). Er war an der Rolandsquelle an mir vorbeigelaufen weil er vor dem angedrohten regen in Roncevalle sein will. Er macht noch die königsetappe und kehrt heute abend mit dem auto nach St.Jean zurück wo Sue seine frau auf ihn wartet. Dann geht es zurück nach hause.

Nochmals geht es kräftig nach oben, bis endlich die passhöhe erreicht ist. Beim abstieg will eich eigentlich die variante nehmen, da jeder sagt, der weg durch den wald sei so steil, ich verpasse sie aber und lande doch auf dem waldweg. Und bedaure es nicht. Die anfänglichen paar hundert höhenmeter sind etwas steil aber danach ist der weg sehr schön durch den buchenwald. Es hat massenweise bucheckern und ich kann meinem sammlertrieb nicht widerstehen und sammle sie. Doch – welche enttäuschung - von zehnen ist jede einzelne leer oder wurmstichig!

Der wind heult jetzt fast mit sturmesstärke unter den bäumen hindurch bis ich endlich etwas tiefer im wald drin bin. Ich gebe den bucheckern noch eine zweite chance – und siehe da – diese sind alle reif und voll. Beim weitermarschieren knabbere ich bucheckern wie sonnenblumenkerne. Ich kann halt an nichts essbarem einfach so vorbeigehen!

Auf der passhöhe hat es ein bisschen getröpfelt und in der ferne sieht es nach regen aus, ich ziehe also den regenschutz präventiv schon mal an. Aber erst kurz vor Ronceval beginnt es dann wirklich zu regnen... und scheint sich jetzt auf dauer niedergelassen zu haben. Morgen gibt es wohl eine regenwanderung.

Jetzt bin ich im Refuge der Abtei – ein ehemaliges hospital das mit 110 betten bestückt ist – und jedes einzelne davon ist besetzt! Die pilger sind aber nicht alle von St. Jean gekommen, viele beginnen erst hier. Nun – man nennt den saal den schnarchsaal – ich bin gespannt wie ich schlafen werde.

For ES

Everybody says that this etappe is the royal etappe. Mostly they say it because no other has such a height difference. Also this is where you enter the pyrenees. But for me this is the royal etappe for emotional reasons. Nature just provided me with several unparalleled spectacles and I enjoyed every minute of the walk – even though part of it was getting very streinous.

I set out at seven – it's still pitchblack but I can find the way as it is all straight ahead following the road. From all over I can hear the click-click-click of walking sticks in the dark town. Out of town the groups of pilgrims soon disperse as the faster draw ahead. I am early so quite ahead – but not amongst the fastest.

Slowly the night shifts to a grey predawn. On the horizon in the east a first glimmer shows the coming day. It is overcast, with clouds scattered on several layers. A faint tint of orange begins to show on the lower strata of clouds. As I continue the pale tones gain brilliance and soon the sky in the east is a feast for the eye of orange, yellow, pale blue and dark grey, cast onto billowing clouds. As I mount higher my eye travels further into the distance, and the hills nearby grow more and more pointed and high.

It is very warm for an october morning and humid too. Luckily a wind is blowing, refreshing me. At one point I turn around and discover Guy right behind me. I thought I would meet him sooner or later. We chat a bit and then he draws ahead as he still walks faster than me. Usually we meet then during the pauses.

At Orisson the wind begins to gain strength. As I continue, trying to keep up with the others the wind buffets me from right, left, back and front. Sometimes it blows me right out of my tracks. Walking gets hard – not because of the path who is steadily but not steply rising. But the wind requires additional power and only when it comes right from the back can I profit from it as it blows me right up.

After four hours I reach Roland's fountain. It is situated on the old road which runs below the crest of the hill and at this particular spot is sheltered from the wind. Guy is already having lunch there. Now that I am not moving I start to feel cold and we cut the meal short. Guy goes already ahead while I look for a convenient spot. At that moment Norm the Australian (not Canadian as I wrote earlier) walks by. He has left Sue in St. Jean and wants to finish the etappe before the rain starts. He will then return back to St.Jean.

I overtake him a little later because the going gets easier as the old road enters a forest. Here the wind loses its power and has just enough punch to ruffle my hair.

An hour later I am on the pass and can finally start walking down. I intend to take a variant as the guide books say the way through the forest is very steep – but I still end up on the marked path – and do not regret it. True, it is a bit steep at the beginning, but I've done worse, and later on it is a really beautiful walk under the beech trees. There are plenty of beechnuts and I gather some to eat – but out of ten every single one is either empty or wormy. I am disappointed. But a little later I cannot resist – I give the nuts a second chance and this time I get a perfect crop. For the rest of the way I am munching beechnuts. I just can't walk past something edible without taking a taste!

In the pass it has drizzled a moment and as I look over Spain it seems there is rain further away. I put on the raincoat – but the rain properly starts only a few hundred meters before I reach the Abbey.

The pilgrim's refuge is an old hospital. It has 110 beds – and every single one is taken! There is no kitchen we have to go to the restaurant and tomorrow we start on an empty stomach. Well... I got some homemade bread but we can turn in for coffee only at the next village some 6 km away.

I wonder how well I will sleep this night.

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