Freitag, 27. August 2010

Tag siebenundzwanzig

Etappe: St.Genix nach Valencogne ca. 21 km.
Unterkunft: Gite Etappe de Brocard

Ich bin im land der beckeli. Schon seit Seyssel erhalte ich meinen morgentlichen kaffee nicht mehr in einer ordinären tasse sondern in einem beckeli. Das ist eine schale, welche bis zu 4dl fassen kann so wie ich es abschätze- was meinen morgentlichen kaffeekonsum in himmlische höhen getrieben hat, da ich weiterhin meine drei füllungen trinke. Das beckeli ist für mich mit einer starken kindheitserinnerung verbunden. Wir hatten damals ein ferienhaus in Schuders im Prättigau- ein winziges dörfchen, dass auf gerade mal knapp 60 einwohner kam. In den langen sommerferien halfen wir kinder immer dem bauern heu zu machen. Dazu mussten wir auf die mittelsässe. Zum zvieri gab es dann auf dem heuboden etwas deftiges zu essen – trockenspeck, alpkäse vom letzten jahr, selbstgebackenes brot und kaffee aus dem beckeli. Diese waren rot, blau oder grün mit weissen punkten und der tisch an dem wir das alles verputzten, war mit einer rotweiss karierten wachsdecke gedeckt. Beim anblick der beckeli heimelt es mich daher immer etwas an. Heute habe ich allerdings Savoien verlassen und bin jetzt in der Dauphinée. Mal schauen ob da der kaffee auch noch so serviert wird.

Beim frühstück tauschen Jean-Marie und ich lebhafte erinnerungen aus, aber bald müssen wir aufhören, damit er mich zurück nach St. Genix bringen kann. Zum abschied meint er noch 'la pluie le matin n'empêche pas le pelerin'. Und fügt hinzu, wenn's am morgen regnet, hört's bis mittag auf.

Damit hat er recht und nachdem die wolken sich verzogen haben wird es bald heiss. Irgendwann nach les Abrets merke ich, dass ich meinen etappenführer bei den Chevillards vergessen habe – wie das möglich ist, kann ich nicht nachvollziehen, habe ich den führer doch gestern extra noch vom pult auf das bett gelegt, damit ich ihn nicht vergesse. Und trotzdem- weg ist er. Überhaupt scheine ich etwas federn zu lassen – auch mein t-shirt, das ich zum schlafen benutz,e habe ich offensichtlich in Yenne liegengelassen. Ärgerlich ist das.

Auch heute wieder bin ich vom rechten weg abgekommen. Ich marschiere frischfröhlich über ein feld, schaue etwas viel auf die füsse weil es steine hat und komme plötzlich zu einer gabelung ohne wegzeichen. Nun – die markierungen sind immer etwas spärlich, der hauptweg scheint gerade aus weiter zu gehen – also frisch voran. Nachdem mich aber zwei jungs auf velos überholen und etwas weiter vorne hämisch lachen bin ich sicher – ich bin auf dem falschen weg. Schliesslich bestätigt es mir eine strasseneinmündung. Keine wegzeichen. Ich frage einen autofahrer, der komoderweise gerade anhält. Er weiss nichts vom pilgerweg, kann mir aber sagen, dass da oben links bei einem kreuz immer viele wanderer vorbeikommen. Links – das ist die strasse zurück. Es scheint mir logisch, dass sich da irgendwo der weg wieder mit der strasse kreuzt also wackle ich zurück und finde schliesslich die gesuchten wegzeichen wieder in der nähe des kreuzes. Erleichter ziehe ich weiter. Es ist gegen zwei und bereits machen mir die füsse zu schaffen, da es heute viel über asphalt ging. In Valencongne komme ich an einer gite vorbei und weiss- jetzt ist fertig. Die nächste unterkunft ist erst wieder in le Pin, das ist 8km oder zwei stunden weiter. Das machen meine füsse heute nicht mit. Also stoppe ich halt um drei schon.

Die wirtin ist eine interessante person, etwas jünger als ich. Wir diskutieren ein bisschen über die probleme der heutigen sprache und wie das smsen und chatten die rechtschreibung kaputtmacht. Dann verschwindet sie in die küche um für jemanden einen 6 kilo monsterkarpfen zuzubereiten. Ich marschiere ins dorf. Dabei fällt mir einmal mehr das eigenartige baumaterial der häuser auf. Es sieht auf den ersten blick wie brauner zement aus, ist aber nicht kratzfest und anscheinend erodiert es leicht. Die häuser haben grosse vordächer um die wände zu schützen und stehen auf soliden steinfundamenten.

Ich frage meine wirtin ob das eine arte trockenziegel sei aus lehm. Sie meint nicht wirklich, das sei 'pisé' und werde so aus dem boden geschnitten in grossen platten und isoliere sehr gut. Es ist eigentlich trotzdem lehm mit grossen kieseln vermischt, und genau wie lehmziegel ist auch dieses material auf wasser empfindlich. Komisch auch, dass die häuser an den ecken nicht mit überlappenden kanten gebaut sind, sondern so wie wir kinder damals lego häuser bauten – jede wand einzeln hochgezogen. Das ergibt dann an vielen häusern einen langen riss da wo die wände zusammenkommen. Ich würde gerne wissen warum die häuser so 'dumm' gebaut wurden. Auf jedenfall ist das material ziemlich empfindlich.

Plaster als allheilmittel.

Heute musste ich wieder mal zum pflaster greifen. Nicht um allfällige blasen abzudecken – oh nein. Bei mir hat das pflaster längst eine andere funktion eingenommen. Es hilft mir nämlich beim reparieren - so in etwa. Heute brauchte ich es, um meine lästige brille endlich daran zu hindern mir immer von der nase zu rutschen. Wenn ich nämlich schwitze oder es regnet und die nase wird nass, dann macht sich mein nasenvelo südwärts davon. Das ist echt lästig und so wurde es mir heute zu bunt. Ich stellte mich in einem bushäuschen etwas aus dem regen und klebte mir einen streifen pflaster in die nasenbuchtung. Ich sehe jetzt noch mehr wie ein doofkopf aus aber wenigstens hält die brille jetzt!

Das pflaster war mir auch vorher schon nützlich, da sich bei einem meiner stöcke schon am zweiten wandertag der griff vom stock trennte. Was tun? Einen streifen pflaster der länge nach auf den stock unter dem griff kleben und das ding wieder draufstöpseln. Nicht schön – aber es hält schon seit der reparatur. Als sich vor ein paar tagen dann schliesslich der zweite stock kollegial anschloss, habe ich auch hier den griff auf bewährte weise wieder festgemacht.

Erntenot

Ich komme immer wieder mit meinen angeborenen oder anerzogenen instinkten als sammler in konflikt. Auf dem weg hat es ständig irgendwelche leckereien welche ich eigentlich sammeln möchte – aber nicht kann. Da ist etwa der hang gestern, der geragelt voll mit brombersträuchern war und jeder hing hageldick voll mit reifen beeren. Ich hätte stundenlange nur beeren sammeln können – und musste mich mit einer handvoll auf dem vorbeigehen begnügen.

Und heute bin ich an zwei schönen Parasolpilzen, einer gruppe junger Boviste und zwei Schirmtintlingen vorbeigekommen. Da ist mir ein ganzes menü entgangen!

For ES

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2 Kommentare:

  1. bist du ins wasser gefallen?

    mal einen rettungsring schmeiß

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  2. Das ist ja eine interessante Überschrift die einen neugierig macht hier weiter zu lesen.

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