Donnerstag, 12. August 2010

Tag zwölf

karte hier

Luxus pur

Nach einer wundervollen nacht wache ich zu wolkenbedecktem himmel auf. Es regnet- welche überraschung. Ich lasse mir daher zeit und plöterle gemütlich mit dem frühstück herum. Heute stehen mir etwa 26 kilometer bevor dazu brauche ich warscheinlich etwa sieben stunden mit pause und wehweh rast. Ich verlasse daher das haus um neun, das sollte mir genügend zeit geben. Gerade als ich um die ecke biege sehe ich vor mir einen anderen wanderer der seinen schweren rucksack den hang hochbuckelt. Mein schritt ist ein bisschen schneller und so hole ich ihn langsam ein. Als ich vorbeiziehe und freundlich grüsse, sehe ich, dass es einer der jungs ist, die mit mir in Stans im gleichen bauernhof übernachteten. Etwas überrascht rutscht es mir heraus: „Bis du noch nicht weiter?“ Immer diplomatisch, so bin ich. Jonas erklärt mir er habe einen tag in Interlaken zusätzlich eingelegt, daher ist er etappenmässig wieder gleich weit wie ich. Wir quatschen ein paar minuten, in Amsoldingen will er dann aber eine pause machen, da er schon seit Thun unterwegs ist, und ich marschiere weiter, nachdem ich mir den poncho überwerfe. Kaum getan setzt der regen ein und es sieht aus als ob er für einige zeit dabeibleiben will. Das laufen im regen hat etwas hypnotisches, das rauschen auf dem poncho, eingepackt in einem kokon aus feuchter wärme wendet sich der blick nach innen.
Wie erwartet, holt Jonas mich aber vor Blumenstein wieder ein und von da an marschieren wir zusammen. Jonas studiert theologie und so ist es naheliegend dass wir ins philosophieren kommen. Wir finden beide, dass für uns die kernaussage der ganzen Christlichen lehre in dem 'einfachen' satz zu finden ist: Liebe deinen nächsten wie dich selbst. Wobei beiden teilen das gleiche gewicht zukommt – es ist eine 1=1 gleichung. Wir müssen anderen die gleichen rechte zustehen wie wir selber beanspruchen – aber auch wir dürfen die gleichen rechte beanspruchen für uns wie sie andere für sich beanspruchen. Daraus entsteht reibung – aber mit toleranz gehandhabt, ist dies die einzige form des sozialen zusammenlebens bei der niemand den kürzeren zieht.
Wir parlieren über gott und die welt und so verschwindet der weg unter unseren füssen. In Riggisberg, allerdings, jammern meine füsse so sehr, dass ich eine längere pause brauche um es noch bis nach Rüeggisberg zu schaffen. Dort will mich mein Götti abholen, ich übernachte heute in Kehrsatz. Jonas macht sich also wieder allein auf die socken. Etwa zehn minuten später scheinen auch meine füsse wieder wanderfähig zu sein und ich nehme die letzte stunde unter die füsse.

Jeden abend, wenn ich kaum noch weiter komme und die kilometer nicht dem durchschnitt entsprechen, wundere ich mich, ob ich es je nach Spanien schaffen werde. Wenn die füsse brennen und die knie schmerzen, kommen zweifel leicht auf. Am morgen, wenn der schmerz wieder nur ein dumpfes brummen ist und die knie wieder einigermassen den dienst tun, sieht die sache wieder besser aus.

Morgen steht mir eine sehr lange etappe bevor – ich will bis Fribourg kommen. Noch leben ein paar ehemalige studienkollegen in Fribourg, ich werde mich wohl morgen mal kurz bei ihnen melden.

For ES

After a blissful night's sleep I wake to an overcast sky. It's raining again – what a surprise. Hoping for better weather I dawdle around with breakfast until, around nine, I finally make a start. I turn around the corner and see in front of me another walker, lugging his backpack up the hill. Since my pace is a little faster I eventually overtake him and smile a friendly greeting. After a moment's hesitation I recognise him: it's one of the guys who slept at the same farm as I in Stans. I blurt out: „Why aren't you further already?“ Diplomatic as always. He explains that he spent an additional day in Interlaken so we are at a par again. We continue for a while together, but in Amsoldingen he wants to make a rest since he's already on the way since Thun,so I continue alone. The weather threatens rain now and I throw my poncho over, just in time before rain settles to a steady downpour.

Walking in the rain has something hypnotic. Wrapped in a warm, humid cocoon the eye turns inwards. It allows me to forget the bitumen under my feet.

Shortly before Blumenstein Jonas catches up with me. We continue together and start talking. Jonas studies theology so it is logical to start philosophising. We both agree that the key sentence in Christian faith for both of us is the dictum: love thy neighbour as you love yourself. With equal weight on both parts. It's an equation 1=1. We have to give others the same rights we demand for us – but we also have the same rights as others demand for themselves. This causes friction but handled with tolerance it's the only form of social interaction which will give both sides justice.
We continue to talk and thus the way disappears under our feet. In Riggisberg, however, my feet complain so much that I need to stop for a time. Jonas continues on – I guess we will meet again, sooner or later. After a time my feet feel again in walking order and I continue to Rüeggisberg where my godfather will come to fetch me. Tonight I'll sleep in Kehrsatz.

Every evening my legs feel out of order and my knees ready to stop service. At such moments I doubt whether I will ever make it even out of Switzerland. In the morning when the permanent pain in my feet is just a background noise and the knees seem to behave again, things immediately look differently. But I understand how permanent pain, even at the low level I am experiencing it, can wear down a person's good humour.

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