Freitag, 20. August 2010

Tag zwanzig

Tag zwanzig
Karte hier
Etappe Nyon- Genf ca. 27 km
unterkunft: Jugi Genf

Genf. Ende einer etappe – ende der komfortzone. Zeit bilanz zu ziehen.

Von Chur bis zur Schweizer grenze werden es gemäss meiner rechnung genau ungefähr 452.5 km sein, die ich gelaufen bin – ein paar mehr oder weniger können's auch sein. Dazu habe ich 18 tage gebraucht, die beiden ruhetage nicht mitgerechnet. Ich bin also recht genau im erwarteten 25km pro tag rythmus gelaufen. Führen wir mal einen systemcheck durch.
Körper: geht so, geht immer besser – detailcheck: knie – einsatzfähig, füsse – fangen plötzlich mit blasen an, mögen aber schon länger, oberkörper – kein gramm abgenommen (tja).
Geist: voll motiviert und schon viel überzeugter es schaffen zu können- detailcheck: spirituelle suche – null (bin zu sehr mit der gegenwart beschäftigt) zukunftsplanung – null (siehe ebenda) erlebnisfreude – 100%, neugier-100%, luxusbedürfnis -20% (ich weiss schon gerne wo ich am abend schlafen werde),
Was habe ich bis jetzt als positiv erlebt? Die begegnungen – das erleben meines landes auf eine ganz neue weise – viele kleine und kleinste entdeckungen, die mir immer wieder neu die augen für meine umgebung öffnen.
Was ist negativ für mich? Das autsch. Wer hat schon gerne jeden abend weh? Positiv daran jedoch ist, zu wissen – es geht weg und es wird immer weniger. Und somit ist auch damit eigentlich ein positives erleben verbunden. Der schmerz kann überwunden werden – und wenn ich irgendwann mal nicht mehr kann/will so reicht es aufzuhören. Es ist alles in meiner hand.

Ich überlege ein wenig, was ich bis jetzt im blog geschrieben habe und stelle fest, dass sehr vieles seinen weg nicht hineinfindet – vielleicht einfach aus mangel an zeit – oder es passt gerade nicht in den kontext. Vielfach sind es gerüche – der süsse, appetitanregende geruch von frisch geschnittenem grass – der scharfe geruch der juniper (wachholder?) wenn ich mit der hand darüberstreife – der pickante geruch von mist, frisch ausgebracht – der süsse geruch der rosen am weg. Die wunderschönen blumenkästen in St.Prex, die nicht nur für das auge sondern auch für die nase bestückt waren mit lavendel, salbei, rosmarin, und maggikraut (keine ahnung was es ist aber es sieht aus wie lavendel mit gelben blüten und riecht wie maggi). Ich frage mich wie viele menschen daran vorbeigehen und nicht wissen, welches duftreich ihnen entgeht.

Oder die geräusche. Das tschilpen der spatzen welches wir für selbstverständlich nehmen, aber das für mich ein so fröhlicher ton ist – das rauschen des regens auf meinem poncho, das saften der feuchten erde unter meinen füssen – das sanfte knattern der blätter und das prasseln der losgeschüttelten regentropfen – die lärmige stille eines heissen sommertages, eine stille die erfüllt ist vom geschäftigen treiben unzähliger insekten – und wenn das ohr endlich den alltagslärm ausblendet und an die stille heranzoomt, hört man plötzlich das ganz andere brausen eines planeten voller leben.

Kleine sekundeneindrücke, gesehen und weggesteckt wärend des laufens – der mächtige muskelberg eines angus bullen zwischen seinen kühen – ein altes scheunchen, das fast organisch, langsam der gravitation nachgibt - die schönen, alten steinmauern an den behäbigen ställen im berner und freiburgerland – das blitzen einer unbekannten blume hier, das glänzen eines metallisch blauen käfers auf purpurner blüte da - tropfen die vom dach herunterplätschern. Eine birke, die mich aus zornigen augen anzustarren scheint.

Ich kann eigentlich kaum nachdenken, da ich die ganze zeit wie ein schwamm damit beschäftigt bin nur dinge zu sehen, zu hören, zu spüren und zu riechen und in mich aufzunehmen. Meine fotos sind ein kläglicher versuch wenigstens einer art all dieser eindrücke etwas dauerhaftigkeit zu verleihen. Aber erst die entgültige bearbeitung wird zeigen, ob ich vermag, auch etwas der anderen elemente einzufangen.

Morgen werde ich die Schweiz verlassen – und damit auch zu einem stück die sicherheit des bekannten. Nicht dass Frankreich so ganz anders wäre – aber auch kleine unterschiede können sich mit der zeit kumulieren. Zudem wird es relativ schwierig werden die etappen zu gestalten es hat gemäss buch kurze und lange – und die kurzen lassen sich meist nicht zu einer langen verbinden. Es hat zwar unterkünfte zwischen den etappen aber die günstigen gites sind meist eben nur bei den etappenzielen zu finden. Ich muss einfach mal loslegen und dann schauen wie es geht. Und das erste problem wird sein mir eine prepaidkarte für Orange France zu kaufen. Und zwar sofort nach der grenze. Ich hoffe ich bin dann nicht schon so in der pampa, dass ich keinen laden mehr finde.

So – zeit zum abendessen. Heute hat mich der regen wieder total durchweicht und es begann erst um 14:00 mit den versprochenen aufhellungen – meine schuhe sind wieder komplet nass, meine füsse sahen aus wie verschrumpelte pflaumen und jetzt hat sich auch eine blase am linken fuss angemeldet. Ich habe ein pflaster draufgeklebt sobald ich es merkte... aber wohl schon zu spät. Damit darf ich jetzt mal für die nächsten paar tage leben. Und ich dachte davon würde ich verschont – immerhin bin ich 400 kilometer ohne blasen gelaufen. Warum das jetzt? Naja... geschieht nichts schlimmeres – das wird schon wieder werden.

For ES

Geneva. End of an etappe – end of the comfort zone. Time to take stock.

From Chur to the Swiss border I will have walked according to my calculation exactly approximately 452.5 km – give or take a few. Not counting my to off days I will have walked an average of 25km, which what I propose to do to get to Cape Finisterre within the calculated 100 days. Let's do a system check then.
Body: ok and doing better every day. Detailcheck: knees- functional, feet – getting suddenly blisters, but doing better every day, general body – no loss of fat (unfortunately)
Spirit: motivated and more and more convinced I can do it. Detailcheck: spiritual seach – zero(too busy with the present) planning of future – zero (see previous) joy – 100%, curiosity -100%, need for luxury-20% (I do like to know where I will stay in the evening)
Which positive experiences did I make? The encounters – experiencing my country in a different way – the small and smallest discoveries, which open my eyes for my environment.
Negative experience? The Ouch. Who likes to be in pain every evening? But there is a positive side to that too – it goes away during the night and it is getting less and less. And if at some stage it gets too much – I just can stop doing what I am doing. It's in my hands.

I think about what I've put into the blog so far and notice that much does not find its way into it. Maybe for reasons of lack of time – maybe because it doesn't fit right at that moment. Often it's sensory impressions- smells for example – the sweet appetising smell of freshly cut grass – the sharp smell of juniper when I stroke the branches with my hand – the tangy odour of manure, freshly spread – the sweet smell of the roses by the way. The beautiful flowerboxes in St.Prex which were not only for the eye but also for the nose with their plantings of lavender, rosmarin, salve (salbei) and something that looked like silvery lavender with yellow leaves and the smell of maggi (that's a condiment widely spread in Europe) I ask myself how many people pass them without realising the range of smells they're just missing out on.

Or the sounds. The chirping of the sparrows, which we regard as a background noise, but which for me is such a happy sound – the monotonous pattering of the rain on my poncho – the squishing of the wet soil under my feet – the soft fluttering of the leaves and the rattle of the raindrops, shaken free by the wind – the noisy silence of a hot summer day, a silence filled with the busy activity of countless insects – when the ear can blend out the everyday noises and zoom in to the silence you can suddenly hear the roaring of a planet busy living.

Short visual impressions, seen and memorised during walking – the huge muscled buld of a powerful angus bull amongs his cows – an old shed, which almost organically seems to yield to gravity – the beautiful old stonewalls of the ancient stables – the flashing of an unknown flower here, the gleam of a metallic blue beetle on a purple blossom there – the drops falling off a roof. A birch which seems to look at me from angry eyes.

I have hardly time to think because I am busy sponging up impressions, to see, hear, feel and smell. My pictures are a pitiable attempt to capture at least a few of those impressions and give them permanence. But only the final treatment will show, whether I manage to capture some of the other elements as well.

Tomorrow I will leave Switzerland – and with it too the security of the known. France isn't that differen -but even small differences can add up. The coming etappes will vary considerably in length and it will be a bit difficult to organise things differently because of accomodation. But I will just see how things develop. First I need to do a few things in Geneva itself and then I need to get a prepaid card in France because Swiss prices abroad are just ridiculous.

Today the rain has completely soaked me again and it stopped only around 14:00 when the sky cleared up and the sun started shining. My feet were floating within m shoes and totally shrivelled up like little prunes. I also feel a blister on the heel of my left foot. I put on a plaster to keep it from getting worse – but it's there to stay for the next few days, I fear. Strange that they turn up only now, after more than 400km walking without problems. Ah well – the mysteries of life. I hope the plasters will help ward off the worst tomorrow. The etappe will be a short one with only 15 km... nice after today's longer than anticipated run.

2 Kommentare:

  1. Gratuliere! Eine Etabe ist geschaft.
    Ich habe beim lesen gerade das Gefühl gehabt auf einer Wiese zu sein und die Insekten zu hören und die Blumen zu richen. Herrlich!
    Für diese Eindrücke beneide ich dich fast ein wenig.Allerdings nicht für die Blasen etc.
    An guata Start in Frankrich
    LG Zibi

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  2. herzlichen glückwunsch und respekt
    du hast ja schon ein schönes stück geschafft

    ich sehe, rieche, fühle und entdecke jeden tag etwas. ich kann mich über sonne genauso freuen, wie über regen.
    vielleicht erlebe ich deshalb so viel,
    weil ich es merke?
    ich wünsche dir noch ganz viele so schöne momente auf deinem weg

    was ich besonders schön finde,
    ist das kleine blümchen,
    das mitten im gleis ,
    mitten in der stadt ihren kopf rausstreckt
    vorwitzig und keck
    und unsere spatzen auf dem balkon

    und mit dir marschieren, das mag ich auch
    liebe grüße
    regina

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